16.01.2020

Drohende Veränderung in der medizinischen Personaldienstleistung

Wie zuvor schon Edgar Schröder und Thorsten Rensing macht sich auch Dennis Greenfield, Geschäftsführer der AÜG Netzwerk Human Resources GmbH, seine Gedanken zur aktuellen Lage der Zeitarbeit in der Pflege Den HR-Experten beschäftigt dabei vor allem der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Pflegequotient, nach dem Vergütungen für Zeitarbeitskräfte aus dem Pflegebudget der Kliniken gestrichen werden sollen Die Gesamtentwicklung findet Greenfield bedenklich: „Die Politik hat es jahrelang versäumt, Anreize für die Wahl des Pflegeberufs zu schaffen – und bestraft nun die Personaldienstleister.“

Schon im vergangenen Jahr gab Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Sommerpause nahezu unbemerkt bekannt, ihm sei „weniger Zeitarbeit in der Pflege lieber“. Auch Angela Merkel äußerte während des Bürgerdialoges in Jena ihre Sorge über eine übermäßige Bezahlung (!) von externen Mitarbeitern in der Pflege und fügte hinzu, dass „Jens Spahn da dran sei“.

Als interessierter Beobachter dieser Entwicklung durfte man sich durchaus überrascht zeigen, denn schließlich beinhaltet der Koalitionsvertrag eindeutige Regelungen zu den politischen Vorhaben in Bezug auf das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und eine Regulierung bestimmter Sektoren. (Erneute) Änderungen bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dabei vom Ergebnis einer gegenwärtig angestoßenen Evaluation abhängig gemacht. Zudem ist es überraschend, von welcher Seite der Regierungskoalition entsprechende Rufe laut geworden sind.

Der Pflegequotient: Belohnungs- und Sanktionsinstrument in Einem Es folgten erste Maßnahmen Spahns, der im Zuge des Pflegepersonalstärkungsgesetzes IV die Idee eines Pflegequotienten einbrachte. Der Gesetzgeber intendiert, dass die Aufwendungen von Krankenhäusern für den Bereich Pflege aus den bisher bestehenden Fallpauschalen herausgelöst werden. Aus dem Verhältnis des Pflegeaufwands einer Klinik und dem tatsächlich eingesetzten Pflegepersonal wird ein sogenannter Pflegequotient ermittelt. In Relation zu einem erwartbaren Durchschnittswert von Pflegeaufwand und eingesetztem Pflegepersonal wird eine Klinik finanziell belohnt, wenn der Quotient übererfüllt wird, und sanktioniert, wenn der Pflegequotient unterschritten wird. Es lohnt sich also aus Sicht der Klinik finanziell, wenn viele Pflegekräfte beschäftigt werden. Dazu wurde § 21 Abs. 2 Nr. 1 lit. e) KHEntG neu gefasst, nach dem die Anzahl der Beschäftigten in der Pflege einer Klinik an eine zentrale Meldestelle zu übermitteln ist. In Verbindung mit den öffentlichen Äußerungen Merkels und Spahns stellte sich die Frage, ob externe Mitarbeiter (insbesondere Zeitarbeitnehmer) zu diesen Beschäftigten zählen oder ob der Beschäftigtenbegriff auf das Stammpersonal zu beschränken ist. In der Praxis ergab sich daraus eine erhebliche Unsicherheit für die Kliniken, denn es kam die Befürchtung auf, die Kosten für die externen Mitarbeiter ohne einen positiven Einfluss auf den Pflegequotienten tragen zu müssen. Dies stellt für die Klinik eine mehr als unglückliche Situation dar, da der Klinikbetrieb häufig nur aufrechterhalten werden kann, wenn zusätzlich zu den eigenen Arbeitnehmern Fremdpersonal eingesetzt wird.

MDK-Reformgesetz: Wird der Zeitarbeit das Wasser abgegraben? Am 23. September 2019 berichteten verschiedene Medien über eine weitere Äußerung Spahns, nach der das Ausweichen von Kliniken auf Zeitpersonal weitgehend zu vermeiden sei. Bemerkenswerterweise versicherte Minister Spahn, dass man sich schnell darum kümmern werde und eine entsprechende Regulierung an ein bereits in den Bundestag eingebrachtes Gesetzesvorhaben angehängt werde. Sobald eine Gesetzesinitiative das Kabinett passiert hat, kann ein Minister keinen Änderungsantrag mehr einbringen. Daraus lässt sich nur ableiten, dass Minister Spahn einen oder mehrere Parlamentarier gefunden hat, der oder die „seinen” Änderungsantrag einbringt oder einbringen. Am 26. September 2019 wurde das sogenannte MDK-Reformgesetz in den Bundestag eingebracht, das einige Neuregelungen zum Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zum Inhalt hat.

Tatsächlich wurde am 01. Oktober 2019 ein Änderungsantrag zum MDK-Gesetz der Regierungsfraktionen bekannt, in dem es in der Anpassung zu § 6a Abs. 2 und 3 KHEntG mit dem Betreff „Begrenzung der Berücksichtigung von Leiharbeit” wie folgt heißt:

„Bei Beschäftigung von Pflegepersonal ohne direktes Beschäftigungsverhältnis mit dem Krankenhaus sind der Teil der Vergütungen, der über tarifvertraglich vereinbarte Vergütungen hinausgeht, und die Zahlung von Vermittlungsentgelten nicht im Pflegebudget zu berücksichtigen.“

Somit will der Gesetzgeber grundsätzlich ausschließen, dass Kliniken eine Kompensation für Aufwendungen im Bereich der Zeitarbeit und Personalvermittlung erhalten. Zusätzlich wird die Rückvergütung bei Aufwendungen durch Arbeitnehmerüberlassung auf den Teil des Lohns eines Beschäftigten begrenzt, der entstanden wäre, wenn die Kliniken diesen direkt selbst einstellen und tariflich vergüten würden.

Die Beschränkung der Arbeitnehmerüberlassung in der Pflege wird folglich über wirtschaftliche Sanktionen weiter verschärft! Das „Anhängen” des Änderungsantrages an ein AÜG-fernes Gesetz und die Ankündigung, dieses Vorhaben innerhalb weniger Tage umzusetzen, bedingt, dass politisch kaum noch Einfluss in dieser Sache genommen werden kann. Dazu wird eine (mittelbare) Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung in einem Wirtschaftszweig (hier: Pflege) nun im Gesundheitsausschuss und nicht in dem sach- und fachnäheren Ausschuss für Arbeit und Soziales beraten. Der übliche politische Prozess, Interessengruppen und Verbände in Bezug auf ein Gesetzesvorhaben frühzeitig zu informieren und einzubinden, wurde durch das oben beschriebene Vorgehen „ausgehebelt".

Zeitarbeit: Problem oder Teil der Lösung? Die gesamte Entwicklung ist in mehrfacher Hinsicht zu kritisieren. Eine Regulierung ist zunächst überhaupt nicht notwendig, da die Anzahl der Beschäftigten im Gesundheitssektor in der Arbeitnehmerüberlassung nach den jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit rückläufig ist. Die Begründung, „die Zeitarbeit nehme den Kliniken das ihrerseits dringend benötigte Personal weg", ist ebenfalls nicht zutreffend, denn Wechsel vom Stammbeschäftigen in die Arbeitnehmerüberlassung erfolgen schlichtweg auf Grundlage der besseren Arbeitsbedingungen in der Personaldienstleistung. Kliniken über entsprechende Budgets zu befähigen, selbst in attraktive Personalarbeit zu investieren, wäre eine zu bevorzugende Regelung. Zudem liegt der Anteil der externen Mitarbeiter bei weniger als 1,5 Prozent der Gesamtbeschäftigten in der Pflege – mitnichten sind hier also politisch unerwünschte „Auswüchse" in Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung festzustellen. Abgesehen davon würden Kliniken wohl eigenes Pflegepersonal einstellen, wenn es genügend Pflegekräfte am Markt geben würde. Die Politik hat es allerdings jahrelang versäumt, die entsprechenden Anreize für die Wahl des Pflegeberufs zu schaffen, und bestraft nun die Personaldienstleistungsbranche für ihre eigene Untätigkeit. Die angespannte Lage im Pflegesektor führt außerdem dazu, dass in den Stammarbeitsverhältnissen übertarifliche Leistungen gewährt werden müssen. Eine Begrenzung der Rückvergütung durch die Sozialversicherungsträger an die Kliniken auf Basis der Vergütungsstrukturen der einschlägigen Tarifverträge bildet die Marktlage also nur ungenügend ab. Die Leidtragenden werden nicht nur die Personaldienstleister sein, sondern gleichfalls die Patienten in den Krankenhäusern. Fazit

Die Lage im Pflegesektor bleibt angespannt, tiefgreifende Strukturreformen bleiben aus. Für die Branche sollte es ein Alarmzeichen sein, dass man auch auf Seiten der Union weitere Regulierungen der Arbeitnehmerüberlassung initiiert und nach über 35 Jahren – Stichwort Baubranche – wieder (mittelbare) Sektoralverbote drohen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in Dr. Alexander Bissels Infobrief Zeitarbeit von Oktober 2019.

Bild und Textquelle